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Ulrich Hub
NATHANS KINDER

Mobile Produktion


Besetzung:
Regie/Ausstattung:
Assistenz:
Uta Eisold
Uta Eisold/Bernd Kruse
NATHANS KINDER

Nathan - Jürgen Helmut Keuchel | Recha - Anne Margarete Greis | Kurt - Stefan Piskorz | Sultan - Torsten Stoll | Bischof - Bernd Kruse



Stück:

Während des Dritten Kreuzzugs Ende des 12. Jahrhunderts in Jerusalem. Der reiche Nathan kehrt von einer Geschäftsreise zurück und erfährt, dass seine Tochter Recha von einem jungen Tempelherrn aus einem brennenden Haus gerettet wurde. Zum Dank bittet er den Retter zu sich. Der wehrt zunächst ab, verliebt sich aber bald in Recha.

Zeitgleich lädt der in Geldsorgen geratene muslimische Feldherr Sultan Saladin den Juden Nathan in seinen Palast, um dessen sprichwörtliche Weisheit mit einer Frage nach der wahren Religion zu testen. Nathan antwortet mit einem Gleichnis, der Ringparabel, die die Gleichberechtigung der drei Religionen illustrieren soll.

Ein Kredit für den Muslim einerseits und ein Heiratsantrag des Christen an seine Tochter andererseits stellen die Weisheit des alten Nathan einmal mehr auf die Probe...



Das letzte dramatische Werk des bedeutendsten deutschen Dichters der Aufklärung Gotthold Ephraim Lessing (1729- 1781) hat die Toleranz unter den drei großen monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam zum Thema. Es fügt sich ein in die Reihe der religionsphilosophischen Schriften, die Lessing wiederholt in Opposition zur herrschenden kirchlichen Lehrmeinung brachten. Die Uraufführung des Stücks erlebte der Autor nicht mehr. Sie fand erst 1783, zwei Jahre nach seinem Tod, in Berlin statt.

Religionsfreiheit und Toleranz unter den Glaubensgemeinschaften sind Grundpfeiler unserer Kultur – und heute wichtiger denn je. Unsere Bearbeitung beschränkt sich bei einem notwendigen Minimum an Figuren auf den immer noch aktuellen Kern des Dramas und ist als mobile Produktion für Aufführungen in Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen konzipiert.


Pressestimmen:

Marburger Neue Zeitung

Landestheater stellt die Glaubensfrage

„Nathans Kinder“ feiert Premiere VON NADJA SCHWARZWäLLER

Marburg. Kann ein Stück, das im 18. Jahrhundert geschrieben wurde und im 12. Jahrhundert spielt, heute noch aktuell sein? Sogar mehr als das: Es kann heute begeistern. Diesen Beweis tritt „Nathans Kinder“, die neue mobile Produktion des Hessischen Landestheaters, an. Die Inszenierung von Uta Eisold hat am Donnerstagabend in der Marburger Elisabethschule eine gelungene Premiere gefeiert.

„Wem soll ich denn nun glauben? Zu welchem Gott soll ich in Zukunft beten?“ fragt Recha, die Tochter eines Juden, die eigentlich ein Christenkind ist und sich im Widerstreit der Religionen wiederfindet. Die Frage nach der „einzig wahren Religion“ und die berühmte „Ringparabel“ sind der Kern von Gotthold Ephraim Lessing‘s „Nathan der Weise“. Ulrich Hub hat aus dem Stück eine sprachlich modernisierte Fassung kreiert, die von Uta Eisold großartig in Szene gesetzt ist.

„Der Bischof will dem Sultan den Garaus machen, der Sultan will den Bischof um die Ecke bringen, der Bischof will Nathan verbrennen ...“ So wie es Kurt, der Kreuzritter beschreibt, ist die Situation in Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge im 12. Jahrhundert. Kurt hat gerade Recha aus einem brennenden Haus gerettet – was er nach eigenem Bekunden nicht getan hätte, wenn er gewusst hätte, dass sie Jüdin ist. Diese überzeugung bröckelt jedoch schnell: Die beiden verlieben sich und geraten zwischen die Fronten der Religionen.

Dass Recha von Nathan nur aufgezogen wurde und eigentlich auch ein „Christenkind“ ist, macht die Sache nur noch komplizierter und bringt die Frage nach der „einzig wahren Religion“ auf. Diese versucht Nathan mit einem Gleichnis zu beantworten: Ein Ring, der die Macht hat, „vor Gott und den Menschen angenehm zu machen“, wird vom Vater immer an den Nachkommen vererbt, den er am meisten liebt. Ein Vater liebt seine drei Söhne allerdings gleichermaßen, lässt zwei Ringe nachmachen und alle im Glauben, sie hätten den einzig wahren Ring geerbt.

Dass der einzig wahre Ring ebenso unerweislich ist wie die einzig wahre Religion, ist die zentrale Botschaft. Und die wird von „Nathans Kinder“ – „immer noch Lessing, aber ziemlich heutig“, wie Regisseurin Uta Eisold sagt – komprimiert vermittelt. Die unbeholfene Annäherung von Recha und Kurt oder die pubertätstypischen Diskussionen zwischen Recha und Nathan schaffen Identifikationsfläche für jüngere Zuschauer.

Das Publikum ist im Kreis um das Bühnenbild gruppiert, und die Schauspieler agieren immer wieder auch im und über den Zuschauerraum hinweg. Ebenso leicht und schwungvoll, wie mit dem Werfen eines Banners und religiösen Symbolen, aus Nathans Haus der Sultanspalast oder

die Bischofsresidenz wird, ist auch die Inszenierung. Die heutige Sprache wirkt keinen Moment gekünstelt.

Die mobile Produktion soll vor allem junge Zuschauer ab 14 Jahren ansprechen und die Premiere zeigt, dass das Konzept aufgeht: Sowohl die Schüler der beiden Deutsch-Leistungskurse wie auch der Rest des Publikums zeigten sich begeistert. Anwesende Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften äußerten sich durchwegs positiv zum Stück. Amnon Orbach, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, nahm das Bühnenbild dahingehend in Augenschein, ob das Stück auch in der Synagoge aufgeführt werden könnte.

 Schulen, die Interesse an einer Aufführung haben, können sich mit der Theaterpädagogik des Hessischen Landestheaters unter (06421) 990238 oder per Email an theaterpaedagogik@hlth.de in Verbindung setzen.




marburg news

Jenseits aller Religion

"Nathans Kinder" feierte Premiere in der Elisabethschule

12.02.2010 - chr

Gotthold Ephraim Lessings Bühnenstück "Nathan, der Weise" hat schon über 200 Jahre auf dem Buckel. Trotzdem ist sein Thema rund um den Wahrheits-Streit der drei großen Weltreligionen heute aktueller denn je. Das beweist die Neubearbeitung "Nathans Kinder" von Ulrich Hub. Mit entschlackter Handlung und modernisierter Sprache feierte das alte Stück als mobile Aufführung des Hessischen Landestheaters (HLTh) am Donnerstag (11. Februar) Premiere in der Elisabethschule. Dazu hatte Regisseurin Uta Eisold die Aula der Schule in eine kreisförmige Bühne verwandelt. Wie in Lessings Original, ist das Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge der Ort der Handlung. Über die Stadt herrscht der muslimische Sultan, der alle Kreuzritter enthaupten lässt. Nathan – ein erfolgreicher jüdischer Geschäftsmann – kommt von einer Reise zurück. Dabei muss er erfahren, dass in seiner Abwesenheit sein Haus fast niedergebrannt ist. Zum Glück hat ein Unbekannter seine Tochter Recha rechtzeitig aus den Flammen gerettet. Wenig begeistert ist Nathan allerdings davon, dass ausgerechnet der Kreuzritter Kurt Rechas Retter ist. Der Christ will von der Dankbarkeit des Juden auch gar nichts wissen. "Es ist die Pflicht von Kreuzrittern, ihr Leben für andere einzusetzen, selbst wenn es sich dabei nur um das Leben eines Juden handelt", konstatiert Kurt wenig mitfühlend. Eindrücklich zeigt dieser erste Wortwechsel, wie verhärtet in Jerusalem die Fronten zwischen den Religionen sind. Zwischen diese Fronten geraten aber immer mehr Kurt und Recha. Die beiden finden durchaus Gefallen aneinander. Für einige Lacher gut war dabei das verschämt-verliebte Spiel von Anne Margarete Greis und Stefan Piskorz als junges Paar. Sichtbar nur langsam gewöhnen sich beide daran, ihre Gefühle über ihre Erziehung zu stellen. "Niemand hat sich seine Religion ausgesucht", lautet schließlich die klare Botschaft für die Menschlichkeit. Leider ist Recha aber in erster Linie ihrem Vater verpflichtet. Nathan selbst ist ebenfalls nicht gegen Vorurteile gegenüber "den Christen" gefeit. Hier überzeugte Jürgen Helmut Keuchel als sanfter und dennoch selbstbewusster Mann, der immer zwischen Vaterliebe und Misstrauen gegenüber anderen Menschen schwankt. Kurt wiederum untersteht dem Bischof, der in seinen dogmatischen Parolen heutigen Hasspredigern in nichts nachsteht. "Es ist die heilige Pflicht von Kreuzrittern, nicht nachzudenken, sondern mit dem Schwert dreinzuschlagen." Bei solchen Sprüchen ging ein ungläubiges Raunen durch die gut gefüllte Aula. Als der Bischof erfährt, dass Recha gar nicht Nathans Tochter ist, will er den Juden sogar „verbrennen“. Genauso unnachgiebig blitzten die stahlblauen Augen von Darsteller Bernd Kruse hinter seiner runden Brille hervor. Der Sultan schließlich will daraus Kapital schlagen, indem er Nathan und den Bischof gegeneinander ausspielt. Torsten Stoll spielte die Rolle des fintenreichen Strategen überzeugend, wenn er auch optisch mit Krawatte und glattrasiertem Gesicht leider nur entfernt an einen Sultan des 12. Jahrhunderts erinnerte. Recha und Kurt versuchen, die drei alten Herren zur Vernunft zu bewegen. Womöglich haben alle am Ende mehr miteinander gemeinsam, als sie glauben? Diese Zusammenhänge konnte Hubs gekürzte Version jedoch nur andeuten. Dadurch kam das Ende aber leider etwas plakativ und arg plötzlich daher. Allerdings gelang es der dichten Inszenierung, immer wieder die wichtigen Fragen nach dem Glauben, Gott und dem Sinn des Ganzen aufzuwerfen. Indem die Geschichte auf die wesentlichen Hauptfiguren reduziert wurde, hatte jede von ihnen genug Raum, ihren Stand in der knapp einstündigen Aufführung zu entfalten. Die Chance des sehr kleinen Bühnenraums hat das Ensemble dabei ebenfalls genutzt. Alle Darsteller rannten nicht nur auf die Bühne, sondern auch zwischen und rund um das Publikum. Das verlieh der Aufführung zusätzlich Dynamik. "Nathans Kinder" ist eine sehr gut gespielte Parabel auf den Glaubenskrieg, die durchaus zum Nachdenken über die aktuellen Konflikte der Religionen anregt. Wenn diese Auseinandersetzungen doch auch nur so wohldiskutiert abliefen wie zwischen Nathan, dem Bischof und dem Sultan!

Christian Haas - 12.02.2010

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